30.03.2019

„Abwarten und sich selbst zurücknehmen“

Wenn Erzieher bei Elterngesprächen von der sozial-emotionalen Entwicklung sprechen, sorgt das immer mal wieder für Stirnrunzeln oder einem abwinkenden Lächeln. Die Bedeutung dieser Kompetenzen – vor allem auch hinsichtlich der Schulfähigkeit von Kindern – wird allgemein weniger wichtig genommen als beispielsweise den eigenen Namen schreiben zu können oder bis 100 zu zählen.

Dabei sind diese Kompetenzen von enorm hoher Wichtigkeit, weswegen auch der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan (BEP) diese Kompetenzen als einen zu fördernden Bereich aufführt und ein Fortbildungsmodul zum Thema anbietet. Die Erzieher der fünf Kindertagesstätten und drei Krippen des Vereins „Kinder sind unsere Zukunft“ e.V. | Lahntal | Münchhausen (KsuZ) haben im März nun bereits am zweiten Teil des Moduls 11 „Vom Ich zum Wir – emotionale und soziale Kompetenzen“ teilgenommen.

Auch Sylvia Friedrich, Multiplikatorin des Hessischen Kultusministeriums, die die Erzieher schulte, weiß, dass Eltern oder Großeltern häufig keinen Sinn etwa im freien Spiel sehen. „Aber gerade im freien Spiel werden soziale und emotionale Kompetenzen geübt“, sagte sie.

Die emotionale und die soziale Entwicklung hängen eng miteinander zusammen. Viele Studien zeigen, dass eine hohe emotionale Kompetenz wesentlich für eine positive soziale Entwicklung ist. Auch die schulische Entwicklung wird von der emotionalen Kompetenz eines Kindes beeinflusst. So erzielen Kinder bessere Schulleistungen, wenn sie ihre Gefühle – etwa in Belastungssituationen – auf angemessene Weise regulieren können. Und das ist auch für das soziale Miteinander, beispielsweise im Klassenverband, von großer Bedeutung. Wer sich zum Beispiel in andere hineinversetzen kann, wenn etwa jemand traurig ist, und darauf angemessen eingehen kann wie mit Trösten, wird auch eher akzeptiert.

Doch was bedeuten diese Begrifflichkeiten emotionale und soziale Kompetenzen in der Praxis genau? Als „emotional kompetent“ können die Kinder beschrieben werden, die gefühlsmäßig eher ausgeglichen sind, neuen Situationen und Herausforderungen eher offen und zuversichtlich gegenüberstehen, Vertrauen in die eigene Person haben und Enttäuschungen aushalten können. Auch können sie sich von Bezugspersonen für eine gewisse Zeit lösen und besitzen Frustrationstoleranz – sie brechen emotional nicht gleich zusammen, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es gern hätten. Diese Kinder können auch Wünsche und Bedürfnisse äußern, auch für eine Zeit lang zurückstecken. Sie sind in der Lage, sich in andere hineinzuversetzen. Defizite in der emotionalen Kompetenz können zu Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen führen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Verhaltensauffälligkeiten wie ängstliches oder aggressives Verhalten. Um letzterem entgegenzuwirken, bieten die Kitas des Vereins auch Gewaltpräventionsprogramme, „Faustlos“ beziehungsweise „Papilio“, an, die unter anderem darauf abzielen, das Einfühlungsvermögen von Kindern zu stärken und somit die soziale Kompetenz zu erhöhen.

„Sozial kompetente“ Kinder nehmen gerne Kontakt zu anderen Menschen auf, sind anderen Menschen gegenüber offen. Sie sind in einer Gruppe ansprechbar und beteiligen sich an Gesprächen. Sie können es auch mal aushalten, wenn die Aufmerksamkeit auf andere gerichtet ist, und sich an Regeln halten. Sie sind in der Lage, Freundschaften einzugehen und aufrecht zu erhalten. Konflikte lösen sie nicht, indem sie schlagen, beißen, schreien oder sich auf den Boden werfen, sondern versuchen, das Problem sprachlich selbst zu lösen oder sich Hilfe bei einem Erwachsenen suchen.

Wie Kinder in diesen beiden Kompetenzbereichen unterstützt werden können, war Inhalt des ersten Teils der Fortbildung. Die Erzieher sollten anhand von Fallbeispielen aus ihrer Praxis das Gelernte umsetzen – weniger fragen, stattdessen die Initiative des Kindes wahrnehmen und benennen, das Kind darin bestätigen und ihm folgen.

Die positiven Erfahrungen und „Stolpersteine“ wurden besprochen. So bewerteten es die Erzieher beispielsweise als gewinnbringend, dass sie sich mehr Zeit für einzelne Kinder genommen hatten und für sich selbst abwartendes Verhalten geübt hatten. Das habe die Aktivität der Kinder gefördert, die dadurch teilweise mehr Eigeninitiative wie Sprechen und Bedürfnisse äußern gezeigt hätten. Andererseits hatte das sprachliche Begleiten vom Tun der Kinder immer wieder zur Folge, dass sich diese mitunter irritiert gezeigt hätten. Doch Friedrich bestärkte die Erzieher darin, diese Art der „aktiven Wertschätzung“ weiterhin auszuprobieren, da dies ein Weg sei, den Kindern Aufmerksamkeit zu schenken, an den sie sich auch eben erst gewöhnen müssten. Bemerke ein Kind, dass es Beachtung geschenkt bekommt, stärke dies das Selbstbewusstsein.

Während der Übung „Emotionscoaching“ trainierten die Erzieher noch einmal, Zurückhaltung zu üben, indem sie etwa nicht vorschnell Lösungen vorschlagen, sondern durch aktives Zuhören Kinder dabei unterstützen, selbst Lösungen zu finden. Das stärke das Selbstvertrauen und Kompetenzen wie Problemlösung, Selbstreflexion und Frustrationstoleranz, allgemein die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, die wichtig für die emotionale Kompetenz sei.

Auch sei es wichtig, Kindern Gefühlswörter zur Verfügung zu stellen, damit sie lernen, ihre Emotionen zu benennen sowie Bedürfnisse und Wünsche zu formulieren. Dies steht dann wieder im engen Zusammenhang zur sozialen Kompetenz, denn das ist von Bedeutung für Konfliktlösungsverhalten. Auch über den Umgang mit heftigen Gefühlen wie Wut oder Misserfolgen wurde noch einmal intensiv eingegangen.