Laute statt Buchstaben und Zahlen statt Zählen

Lahntaler und Münchhäuser Verein „Kinder sind unsere Zukunft“ e.V. | Lahntal | Münchhausen stellt Vorschularbeit vor
Lahntal/Münchhausen. „Mein Kind kann schon bis 100 zählen!“ „Und mein Kind kennt schon die Buchstaben und schreibt seinen Namen.“ Es ist selbstverständlich, dass Eltern auf solche Fähigkeiten ihres Nachwuchses stolz sind. Doch um einen erfolgreichen Start in der Grundschule zu haben, dafür braucht es noch einige weitere Kompetenzen. Das vermittelten zehn Erzieherinnen des Lahntaler und Münchhäuser Vereins „Kinder sind unsere Zukunft“ e.V. | Lahntal | Münchhausen während eines Workshops.
Rund 45 Müttern und Vätern brachten die Vertreter des pädagogischen Fachpersonals die Vorschularbeit im letzten Kindergartenjahr im Zusammenhang mit dem Bildungsprogramm „Starke Bildung“ (StaBil) nahe. Dieses basiert auf einer Kooperation zwischen dem Landkreis Marburg-Biedenkopf und dem Bildungsinstitut Bernd Reith (ibr) und folgt den Vorgaben des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans (BEP).
Das BEP sieht unter anderem eine Förderung in den Bereichen sozial-emotionale Entwicklung, visuelle Wahrnehmung, mathematische Basiskompetenzen und phonologische Bewusstheit vor. Jeweils einen Bereich stellten zwei oder drei Erzieherinnen den Eltern vor. Nach einer Einführung durch Maria Schembecker-Tüns, pädagogische Leitung des Vereins, durchliefen die Eltern die vier Stationen in Kleingruppen.
So sensibilisierten etwa Daniela Brockmann und Nadine Rakowski dafür, welch emotionalen Herausforderungen der Übergang von der Kita in die Grundschule an die angehenden Erstklässler stellt. Zu aller Vorfreude mischen sich auch Ängste. Während im Kindergarten morgens etwa noch die Möglichkeit besteht, auf dem Schoß oder im Arm eines Erziehers erst einmal anzukommen, gibt es diese Zeit in der Schule nicht mehr. Das Klassenzimmer alleine ohne Eltern zu betreten, stellt viele Kinder vor eine große Herausforderung.
Aber auch soziale Kompetenzen braucht es. Hält es das Kind aus, nicht sofort dran zu kommen, wenn es sich meldet, oder kann es den Frust aushalten, wenn es gar nicht zu Wort kommt? Verkraftet es Niederlagen und Misserfolge oder reagiert es dann mit Trotz, indem es die Mitarbeit verweigert? An all diese Herausforderungen führen die Erzieher die Vorschüler in ihrer alltäglichen Arbeit und besonders während der Vorschulprojekte heran.
Häufig unterschätzt ist auch der Bereich der Visuellen Wahrnehmung, dem sich Janet Pigorsch, Michaela Ruppersberg und Heike Trusheim widmeten. Visuelle Wahrnehmung bedeutet nicht nur, richtig sehen zu können, sondern die visuellen Reize im Gehirn auch entsprechend verarbeiten zu können. Dieser große Kompetenzbereich gliedert sich in fünf Unterkategorien auf. Dazu gehört etwa die Raum-Lage-Wahrnehmung, zu der die Fähigkeit zählt, links und rechts unterscheiden zu können – unabdingbar für das Lesen- und Schreibenlernen. So ist beispielsweise das Erkennen, ob der „Bauch“ links oder rechts vom Strich ist, Grundvoraussetzung, damit ein Kind zwischen b und d differenzieren kann.
Um Buchstaben ging es auch bei der Gruppe, die den Eltern die Phonologische Bewusstheit näherbrachte, das Erkennen der lautlichen Merkmale von Wörtern. Dabei verdeutlichten Annett Reiser, Simone Schwalm und Selina Stein, dass für den Schriftsprach-Erwerb nicht mit dem Erlernen von Buchstaben begonnen werden sollte, sondern mit Lauten. Für ein Aha-Erlebnis bei den Müttern und Vätern sorgte etwa das Buchstabier-Beispiel. Eltern buchstabierten „Luft“ – niedergeschrieben wurde daraus „eluefte“. Wie wichtig auch das richtige Hören und die richtige Aussprache bei Kindern in diesem Zusammenhang sind, kam ebenfalls nicht zu kurz. Hören oder sprechen Vorschüler anstatt „Rüssel“ beispielsweise „Hüssel“, werden sie das Wort auch nicht richtig schreiben können.
Einleuchtend waren auch die Ausführungen von Birgit Löbel und Kerstin Hielscher zu den mathematischen Basiskompetenzen. Zählen können bedeutet somit noch nicht zwangsläufig, dass Kinder auch wissen, was eine Zahl bedeutet, welche Menge sie ihr beispielsweise zuordnen müssen. Kann das Kind etwa sagen, ob sechs oder vier mehr sind als fünf? Um solches Wissen erlangen zu können, braucht es die nicht-numerischen Basiskompetenzen, erläuterten die beiden Erzieherinnen. Dazu zählt etwa, Längen vergleichen zu können, Objekte zu einer bestimmten Klasse anhand von Ähnlichkeit oder Gleichheit zusammenfassen zu können oder etwas in eine auf- oder absteigende Reihenfolge bringen zu können.
Immer wieder stellten die Erzieherinnen einen Bezug zur Schule her und verdeutlichten, warum welche Kompetenzen wichtig sind für einen erfolgreichen Übergang von der Kita in die Grundschule. Dabei hoben sie hervor, dass diese Vorläuferkompetenzen im Kita-Alltag spielerisch erlangt werden und nicht durch bloßes „Üben“. Darüber hinaus werden alltägliche Handlungen genutzt, um die Kinder zu fördern, indem sie beispielsweise beim Tischdecken helfen. Mit der Aufgabenstellung „Die Gabel kommt rechts neben den Teller, das Glas oben drüber“ wird etwa ganz nebenbei die Raum-Lage-Wahrnehmung gefestigt. Tipps, mit welch alltäglichen Handlungen auch Eltern ihre Kinder im Alltag fördern können, rundeten den Vormittag ab. Die Rückmeldungen der Eltern waren durchweg positiv und mit der Betreuungsmöglichkeit ihrer Kinder während des Workshops zeigten sie sich mehr als zufrieden.